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Historische Aufarbeitung: Drei Straßennamen erhalten Zusatzschilder

In seiner letzten Sitzung des Jahres beschloss der Dürkheimer Stadtrat am 12. Dezember 2023 die Anbringung von Zusatzschilder mit QR-Code an drei Straßennamen, deren historische Aufarbeitung im Zuge der NS-Vergangenheit in einem Bürgerentscheid endete.

Am 24. September 2023 fand in Bad Dürkheim ein Bürgerentscheid statt mit dem Ziel, die Entscheidung des Stadtrats vom 28. März 2023 zur Umbenennung der Karl-Räder-Allee, Philipp-Fauth-Straße und Maler-Ernst-Straße zu revidieren. Eine große Mehrheit der Bad Dürkheimer Bürgerinnen und Bürger sprach sich dafür aus, die Straßennamen trotz der Involvierung bzw. Unterstützung der jeweiligen Namensinhaber in das NS-System zu belassen.

Nach diesem Bürgerentscheid wurde in einer gemeinsamen Sitzung des Kulturausschusses und des Ortsbeirats Seebach am 8. November 2023 das weitere Vorgehen zur Vorlage für den Stadtrat entschieden. In der Stadtratssitzung am 12. Dezember 2023 wurde bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen folgender Beschluss gefasst: An den Straßen Karl-Räder-Allee, Philipp-Fauth-Straße und Maler-Ernst-Straße werden Zusatzschilder mit Kurzbeschreibungen zu Leben und Haltung der genannten Persönlichkeiten angebracht. Daneben wird ein QR-Code gezeigt, der auf abgestimmte Kurzbiografien verweist.

„Damit bleiben die Straßennamen erhalten und erinnern uns gleichzeitig daran, wie wichtig und schwierig die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus ist. Mögen uns die Straßennamen ermutigen, für Demokratie, Toleranz und Frieden einzutreten“, so Bürgermeister Christoph Glogger.

Die Kosten für diese Maßnahme der Beschilderung belaufen sich auf 2000 Euro. Mit der Umsetzung ist für das erste Quartal 2024 zu rechnen.

  • Folgende Texte werden neben dem QR-Code an den Straßenschildern zu lesen sein:

Philipp-Fauth-Straße
„Philipp Fauth, geboren am 19.3.1867 in Bad Dürkheim, gestorben am 4.1.1941 in Grünwald. Volksschullehrer und Amateurastronom, widmete sein Leben der Kartografierung des Mondes, zeichnete durch bloße Beobachtung eine der größten und exaktesten Mondkarten. Ab 1937 war er Mitglied der Forschungsgemeinschaft Ahnenerbe, einer (späteren) Einrichtung der SS. Frühe persönliche Korrespondenz zeigt seine antidemokratische und antisemitische Einstellung.“

Karl-Räder-Allee
„Karl Räder, geboren 13.4.1870 in Bad Dürkheim, gestorben 26.1.1967 in Ludwigshafen. Journalist, Schriftsteller und Heimatdichter, zählt zu den populärsten Mundartdichtern der Pfalz, schrieb für die Werkszeitung der BASF und war Mitbegründer des Literarischen Frühschoppens. In seinen Gedichten und Vorträgen der NS-Zeit verehrte er Adolf Hitler und die Nazi-Ideologie und bediente antisemitische Stereotypen. Die Familie beschreibt die spätere Reue Karl Räders.“

Maler-Ernst-Straße
„Gustav Ernst, geboren 21.3.1858 in Elsterberg, gestorben 5.12.1945 in Bad Dürkheim. Kunst- und Dekorationsmaler, lebte u.a. von 1934 bis zu seinem Tod in Bad Dürkheim, malte die für ihn typischen Winzerporträts, Landschaften und die Arbeit in den Weinbergen und -kellern. Seine Tagebucheinträge zeigen seine Verehrung Hitlers sowie seine antisemitische und demokratieverachtende Einstellung, zum Teil lange vor der Machtübernahme.“

  • Die QR-Codes am Schild führen auf eine städtische Webseite mit folgendem Text:

„Im Jahr 2023 schlug der Stadtrat vor, drei Straßennamen zu ändern, weil ihre Namensgeber dem Nationalsozialismus nahestanden. In einem Bürgerentscheid wurde mit großer Mehrheit entschieden, die Straßennamen beizubehalten.

Die Diskussion hat uns gezeigt, wie wichtig und schwierig die Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus ist. Mögen uns die Straßennamen ermutigen für Demokratie, Toleranz und Frieden einzutreten.

Philipp Fauth (geboren 19.3.1867 in Bad Dürkheim; gestorben 4.1.1941 in Grünwald)
Der in Landstuhl tätige Volksschullehrer und Amateurastronom Philipp Fauth widmete sein Leben der Kartografierung des Mondes. Er zeichnete die größte und exakteste Mondkarte, die ein einzelner Forscher jemals auf Grund visueller Beobachtungen geschaffen hat. Neben dem Mond beobachtete er intensiv Saturn, Mars, Jupiter und die Sonne.

Anlass für die Diskussion um die Straßennamen 2023 waren Fauths antidemokratische und antisemitische Einstellung, die vor allem in persönlichen Korrespondenzen erkennbar wird. In seinen letzten vier Lebensjahren war er als Leiter der Forschungsstätte Astronomie (Sternwarte Grünwald) Mitglied der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe, einer (späteren) Einrichtung der SS.

Karl Räder (geboren 13.4.1870 in Bad Dürkheim; gestorben 26.1.1967 in Ludwigshafen)
Der Journalist, Schriftsteller und Heimatdichter Karl Räder zählt zu den populärsten Heimat- und Mundartdichtern der Pfalz. Sein literarisches Schaffen hatte vor allem die Pfälzer Lebensart und seine Liebe zur Heimatstadt Bad Dürkheim zum Thema. Von 1896 bis 1930 war er Schreiber und Redakteur der Werkszeitung der BASF. Karl Räder war Mitbegründer des Literarischen Frühschoppens auf dem Dürkheimer Wurstmarkt.

Anlass für die Diskussion um die Straßennamen 2023 waren Räders Gedichte und Vorträge in der Zeit des Nationalsozialismus, in denen er Adolf Hitler und die Nazi-Ideologie verehrte und antisemitische Stereotype bediente. Ende 1937 unternahm er eine mehrmonatige Reise zu seinen Kindern in die USA, auf der er unter anderem bei deutschen Vereinen für das NS-Regime warb.

Die Familie beschreibt die spätere Reue Karl Räders für sein Verhalten während der Zeit des Nationalsozialismus.

Gustav Ernst (geboren 21.3.1858 in Elsterberg; gestorben 5.12.1945 in Bad Dürkheim)
Der Kunst- und Dekorationsmaler Gustav Ernst lebte von 1902 bis 1913 sowie von 1934 bis zu seinem Tod 1945 in Bad Dürkheim. Zu seinem künstlerischen Repertoire zählten neben den für ihn typischen Winzerporträts auch Genredarstellungen über die Arbeit in den Weinbergen und -kellern, Landschaftsgemälde sowie grafische Arbeiten für den Pfälzerwald-Verein.

Anlass für die Diskussion um die Straßennamen 2023 waren Ernsts private Tagebucheinträge, in denen sich seine Verehrung Hitlers sowie seine antisemitische und antidemokratische Einstellung zeigt. Seine Sympathie für den Nationalsozialismus beschreibt er bereits lange vor der Machtübernahme.